Tückische Gefahr aus dem Wald
Pilzberater | |
Werner Malchow | |
Telefon: | 03 32 32/3 84 07 |
Website: | www.blp-ev.de |
„Sein oder nicht sein“
Stand: Juli 2017
Das Hamlet-Zitat „Sein oder nicht sein“ kann sich schneller erfüllen, als man gemeinhin denkt, wenn man unbedacht seine „Beute“ aus einem meist herbstlichen Waldspaziergang schwungvoll in die Pfanne haut, um sie dann genussvoll als Menü zu verzehren. Denn in unseren Wäldern schlummert oft unerkannt Gevatter Tod mit seiner Sense!
Dann geht es mit Abwandlung des Shakespeare-Zitats um
die Frage: „Giftig oder nicht
giftig!“ Die Antwort kennt eventuell der Wind aber insbesondere der Brieselanger
Werner Malchow. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, hier als „Richter“ zu entscheiden.
„
Gericht“ auf der Veranda
Dies macht er für weite Teile des Havellands, als einer der wenigen offiziellen „Pilzsachverständigen“ der Region.
Seine „Gerichtssitzung“ findet ohne Staatsanwalt, Schreiber oder Beisitzer statt. „Verhandlungsort“ ist der heimische
Küchentisch oder die gemütliche Terrasse bei ihm zuhause. Da wird dann der Korb voller Schätze sachkundig inspiziert.
Es geht zu wie bei Aschenputtel: Die guten ins Töpfchen,
die schlechten allerdings nicht ins Kröpfchen, sondern ab
zur ordnungsgemäßen Entsorgung!
Werner Malchow, mittlerweile agile 70 Jahre jung, weiß um seine Verantwortung. Diese hat er schließlich ein langes Berufsleben jeden Tag getragen. Schließlich war er als Apotheker aus Leidenschaft für die Gesundheit seiner Mitmenschen zuständig.
Dies hat er in der „Apotheke am Markt“ in Brieselang unter Beweis gestellt. Er führte sie seit der Wende. Anfang 2009 hat er sie an Tochter Katharina Malchow weitergereicht.
Pilz wie auf Bestellung
Die Malchows sind also eine traditionsreiche Apotheker-Familie und zugleich eine passionierte Pilzfamilie. So ergab sich bei Katharina Malchow passend zum Fototermin ein ungewöhnlicher Fund. Während alle noch darüber rätselten, woher man einen schönen Pilz fürs Bild Monate vor der eigentlichen Saison ab September finden kann, spitzelte bei ihr ein süßes weißes Köpfchen aus dem Kompost. Das entpuppte sich als mutierter Kulturchampignon, der gerade dabei war, sich wieder in
eine Wildform zurück zu entwickeln. Damit erleben wir, wie sich die Natur in unserer Zivilisation verändert. Während ehemals scheue Tiere wie Wildschweine den Weg in
unsere Gärten und Siedlungen finden, scheinen manche Pflanzen den umgekehrten Weg zu gehen und sich wieder zurück zu entwickeln.
Naturnahe Pharmazie
Werner Malchow stammt
aus dem mecklenburgischen Altentreptow, wo er wenige Kilometer weiter auf Ehefrau Elke Malchow gestoßen ist, die aus Ueckermünde kommt. Er stammt aus einer Apothekerfamilie. Schon als Kind führte ihn der Vater in die Geheimnisse von Wäldern und Wiesen ein. „Mein Lehrmeister in Jarmen hatte die gleiche Leidenschaft. Wir durchstöberten oft die Region um die Peene. Hier fanden sich viele Heilpflanzen und Pilze.“ Zurückblickend meint er: „Unsere Ausbildung hatte insgesamt noch viel mit Natur zu tun, während heute das Schwergewicht eher auf Pharmazie und Verkaufen liegt.“
Rettung in letzter Minute
Ehefrau Elke Malchow teilt mit ihm die Leidenschaft zum Apothekerberuf und zur Natur. „Ursprünglich wusste sie besser als ich über Pilze Bescheid, aber ich habe mich weitergebildet“, schmunzelt Werner Malchow. In den 1970-er Jahren kam das Ehepaar nach Nauen in die dortige Apotheke. „Das Gesundheitsamt war nur eine Tür weiter. Die Pilzbegutachtung war dort in der Hygieneabteilung angesiedelt. Zuständig war ein junger Arzt, mit dem ich mich anfreundete. Ich erinnere mich sehr an
unseren ersten Notfall. Das war in Falkensee, wo wir einen Mann nach Genuss eines Giftpilzes gerade noch retten konnten. Notfallarzt war ausgerechnet Dr. Andreas Jesinghaus, der später, ebenso wie ich, in Brieselang ansässig
geworden ist.“
Der kleine Unterschied
Damals wie heute liegt die
Tücke beim Pilzbeurteilen
darin, dass sich gut und
gefährlich oftmals nur minimal unterscheiden. Es sind vielfach kleinste Details, die lebenswichtig sein können. Dies wird immer wieder zum Verhängnis. Werner Malchow macht in diesem Zusammenhang auf ein neues aktuelles Problem aufmerksam: „Wir hatten kürzlich den Fall, dass zwei Mitglieder einer vierköpfigen Familie an den Folgen
einer Pilzvergiftung gestorben sind. Mit den Flüchtlingsströmen hat sich das Problem verschärft. Es gibt in Syrien und im Nahen Osten einen sehr
beliebten Pilz, der gerne gegessen wird. Er sieht dem hochgiftigen Knollenblätterpilz bei uns sehr ähnlich!“
Die Tücke der Pilze
Zum Glück ist die Chance, auf einen giftigen Pilz zu stoßen, statistisch gesehen ziemlich gering: „Ich schätze, dass kaum mehr als zehn Prozent gefährlich sind. Etwa 40 Prozent gelten als ungenießbar. Sie haben entweder einen schlechten Geschmack oder sind einfach viel zu klein, um daraus Essen zu machen“, so seine Einschätzung. „Es gibt zudem Pilze, die nur im rohen Zustand gefährlich sind.
Andere wie der Riesenbovist, sind „in jungen Jahren“ ein
Genuss. „Solange er weiß ist, schmeckt er sehr lecker.
Später färbt er sich braun und zerstört sich selbst, um die Sporen zu verbreiten, aus
denen er sich vermehrt“,
beschreibt Werner Malchow einen ansonsten in der Natur eher selteneren Vorgang.
Herzflattern im Selbstversuch
Andere Arten sind in Verbindung mit Essenzen wie Alkohol problematisch. „Dazu
gehört der Graue Faltentintling. Ich habe als junger
Apotheker einen Selbstversuch gemacht und ihn mit Bier zu mir genommen. Ich
bekam Herzflattern, der Blutdruck schoss in die Höhe, mein Kopf wurde knallrot, am Oberkörper bildeten sich
weiße Flecken. Es war beängstigend. Nach einer halben Stunde ließ die Reaktion nach und alles war wieder normal.“
Kochtopf-Mykologe
Nicht alles, was zweifelhaft aussieht, muss es sein. Den Beweis dafür, dass manche „verdächtige“ Arten zu Unrecht ins schlechte Licht kommen, liefert Werner Malchow gleich mal aus seinem Garten. Hier wachsen mehrere ziemlich kleine gelbliche Exemplare, wie sie schon jeder mal auf dem Rasen gesehen und als unerwünschte Gäste eingestuft haben dürfte: „Das sind Nelkenschwindlinge, die man in der Suppe verarbeiten kann. Man muss allerdings die Stile abtrennen, was sehr mühsam ist“, klärt Malchow, der sich selbst „Kochtopf-Mykologe“ nennt, auf. Während viele Angler keine Fische mögen, essen Elke und Werner Malchow die Objekte ihrer Forschungen für ihr Leben gern: „Wir bereiten sie meist in Butter mit ein wenig Zwiebeln zu. Da entfaltet sich das Aroma am Besten.“ Wie jeder Pilzfreund behält er die reichhaltigsten Reviere für sich.
Sein Tipp: „Pfifferlinge findet man oft schon ab Mai in Wäldern mit sandigem Boden. Um Brieselang herum hat man
weniger Chancen. Erfolgsversprechender ist schon ein Ausflug in den Krämer.“
Bei Zweifel Malchow!
Werner Malchow ist als Mitglied im „Brandenburgischen Landesverband der Pilzsachverständigen e.V.“ ehrenamtlich tätig. Jeder kann ihm also seine selbstgesammelten Schätze zur kostenlosen Überprüfung bringen. Das sollte man bereits beim geringsten Zweifel unbedingt machen: „Gerade wieder kam jemand mit einem Korb voller ‚Champignons‘ zu mir. Es stellte sich
heraus, dass die vermeintliche Delikatesse giftige Karbol-Champignons waren. Sie stammen aus der Familie der Egerlinge und sehen den echten Pilzen sehr ähnlich.“ Noch mehr als im Hauptberuf Apotheker ist Werner Malchow nun als Rentner also vielfach lebensrettend tätig. Allerdings macht er sich Sorgen um die Weiterführung seiner spannenden und verantwortungsvollen Tätigkeit: „Wir bräuchten gerade in unserer Region dringend jüngere Leute, die sich für diese Aufgabe interessieren“, appelliert er an die Brieselanger. Um als Pilzfachmann die Wälder zu genießen und seinen Mitbürgern Gutes zu tun, muss man übrigens nicht Apotheker gelernt haben. „Unser Vorsitzender im Verein ist Meteorologe und gibt uns gerne Hinweise auf ‚Pilzwetter‘. Die besten Chancen hat man etwa eine Woche nach warmem Regen und anschließend warmem Wetter. Garantie ist dies aber keine, Pilze haben ein Eigenleben, das noch vielfach unerforscht ist.“
Ähnliches gilt ja für Wetterprognosen, zumindest hier im Berlin-Brandenburger Raum!