Faszination der Farben: Kunst-Pionier „versteckt“ in Brieselang
Fotograf und Künstler | |
Martin Knigge | |
Telefon: | 03 32 32/22 32 86 |
Website: | www.knigge-galerie.de |
Fotokamera als „Pinsel“
Stand: August 2023
Die Fotokamera als Malerpinsel? Auf diese Idee muss man erst mal kommen!
Ein Brieselanger hat damit eine neue Kunstrichtung aus der Taufe gehoben, doch kaum
einer hat es gemerkt. Das liegt
sicher mit daran, dass Martin Knigge Kunstbetrieb und Publikum eher scheut. Er lebt zusammen mit seiner Jugendliebe, Ehefrau Christel Knigge, zurückgezogen in einer ausgebauten Datsche. „Ich würde mir nie Bilder von mir aufhängen, aber meine Frau besteht darauf, dass wir selbst im Schlafzimmer welche haben. Sie möchte damit aufwachen“, freut sich der Künstler über seine „größte Bewunderin“.
Zerstörte Originale
Martin Knigge ist ein Fan von „Minimal Art“. Anders als sonstige Verfechter dieser Kunst, die „das Leben“ oft
auf meist geometrisch gemalte Farbflächen reduzieren, schafft der Brieselanger seine Werke mit dem Objektiv einer Fotokamera. Die Ergebnisse druckt er mit einem Plotter aus und zieht sie auf unterschiedlichen Unterlagen auf. Als Vorstufe verwendet er manchmal selbstgemalte Bilder oder
geheimnisvolle Objekte, die er anschließend vernichtet. Damit konterkariert er, was die Kunstwelt oft mit viel Geld honoriert, nämlich das Original.
Keine Diskussion!
Der „Erfinder“ der „Fotografischen Minimal Art“, die er bescheiden „Farbflächen“ nennt, hat noch mehr ungewöhnliche Eigenschaften. So weigert er sich, über seine Kunstwerke zu diskutieren. „Wem meine Bilder nicht gefallen, der soll es eben sein lassen. Ich möchte keinerlei Erklärungen abgeben. Die Betrachter sollen sich selbst in die Bilder hineinfühlen. Jeder kann darin etwas anderes entdecken“, gibt er preis.
Freude am Klauen
Zu dieser radikalen Einstellung gehört, dass er sich generell freut, wenn seine Werke Beachtung finden. So hat er kleine Ausschnitte von Graffitis am Brieselanger Bahnhof vergrößert und umgearbeitet. Die neuen Kunstwerke brachte er dann dort an. „Ich habe mich sehr gewundert, dass es hier keine bösen Briefe von der Bahn oder anderen gab“, blickt er zurück. Stattdessen ärgerte sich wohl einer der Graffiti-Sprüher. „Er hat mit einem
dicken Stift mein Bild durchgestrichen. Ein anderes wurde wohl gestohlen. Das hat mich sehr gefreut. So war klar, dass sich jemand mit meiner Arbeit etwas beschäftigt hat“, verblüfft Martin Knigge.
Kindheitsträume
Sein Weg zur Kunst begann auf der Volksschule im Wohnort Lüneburg. „Ich hatte arme Eltern. Während die Klassenkameraden an attraktiven Orten Ferien machten, blieb ich zuhause. Ich streifte durch die Natur, betrachtete von
einem Hochsitz aus die Gegend. Zurück in der Schule sollten wir unsere schönste Ferienerinnerung malen. Ich tat dies mit Farbflächen. Schließlich verschwimmen mit Blick in die Ferne die
Details. Meine Kunstlehrerin war entsetzt, beschimpfte mich. Das verursachte in mir einen derartigen Hass, dass ich nicht mehr malen wollte.“
Stress im Klassenzimmer
Doch wie sollte es nach dem Abitur weitergehen? „Ich spielte mit dem Gedanken, Jugendpsychologie zu studieren. Doch haben nicht Psychiater immer selbst ein entsprechendes Problem? Da meine Frau Sportlehrerin war, entschloss ich mich ebenfalls zum Lehrerstudium.“ In der Folge unterrichtete Martin Knigge Deutsch und Sozialwissenschaften in Bremen, wo er studiert hatte. „Ich war in der Oberstufe am Gymnasium. Dort gab es so viel Stress, dass ich diesen Beruf schließlich aufgab. Stattdessen wurde ich Bibliothekar. Diese Tätigkeit gab mir die Freiheit, als Profi-Fotograf unabhängig von Verkäufen zu sein. So konnte ich völlig nach meinen eigenen Vorstellungen arbeiten“, blickt Martin Knigge zurück.
Künstlerdorf und Blumen
Mit diesen Voraussetzungen landete die Familie im nicht weit von Bremen entfernten Künstlerdorf Worpswede.
„Gerade hier forderte mich ein Galerist auf, Blumen zu fotografieren. Ich war total empört“, erinnert sich Martin Knigge heute noch. Doch
irgendwie nagte die Idee in ihm. „Ich hatte damals eine der ersten kleinen Sucher-Digitalkameras. Diese baute ich nach meinen Vorstellungen um. Plötzlich hatte ich faszinierende Fotos. Sogar der Gärtner konnte nicht mehr erkennen, welche Blüte der Ursprung war. Ich hatte nun Farbflecken aus der Natur. Später hieß es, ich wäre in die Blüte ‚eingedrungen‘“, erklärt Martin Knigge.
Kreative Kinder
Während es ihm hier gut
gefiel, fühlte sich der Rest der Familie immer mehr in dem Dorfleben eingesperrt.
Schließlich fiel die Entscheidung für Berlin, insbesondere auf Wunsch der beiden Kinder. Tochter Wilma Knigge, die heute 50 Jahre alt ist, trat als Aktionskünstlerin erst in die Fußstapfen des Vaters. Später entschied sie sich für finanzielle Absicherung und wurde Kunstlehrerin in Berlin. Hier wirkt parallel Sohn Leon Knigge, 45, als Journalist. Seit 2012 bereichert das Ehepaar Christel und Martin Knigge Brieselang. „Ich habe an der Ortschronik mitgewirkt. Im Kunstverein wollten sie mich allerdings nicht haben. Ich war ihnen wohl zu radikal“, nennt er wichtige Eindrücke.
Grau in vielen Facetten
Dabei ist Martin Knigge doch immer nur dabei, ästhetische Probleme zu lösen. Dazu
gehörte die Suche nach
möglichst vielen Nuancen zwischen Schwarz und Weiß. „Ich wollte 1 000 Abstufungen kreieren. Unterm Spektrometer stellte sich heraus, dass es 100 000 waren“, strahlt er über diesen Erfolg. In Brieselang wird er dafür weniger Motive finden, denn die Gemeinde strahlt in der Regel in vielen bunten Farben!